DIE ARBEITS­SCHUTZ­PFLICHTEN

Arbeitsschutz

Wie lassen sich Agiles Arbeiten und Arbeitsschutz miteinander vereinbaren?

Agiles Arbeiten ist auf dem Vormarsch. Das gilt insbesondere für den IT-Sektor, in dem dieser Ansatz entwickelt wurde, doch auch in anderen Segmenten nehmen agile Methoden immer breiteren Raum ein. Das hat auch Konsequenzen für den Arbeitsschutz.

Agiles Arbeiten hat seinen Ursprung in der Softwareentwicklung der 1990er Jahre. Im Jahr 2001 nutzen Softwareentwickler in Utah das erste Mal den Begriff agil für ihre Vorgehensweise. Eines der Ergebnisse dieses Treffens war das sogenannte agile Manifest, in dem vier wesentliche Werte und zwölf Grundlagen des agilen Arbeitens niedergelegt sind. Die Philosophie des agilen Arbeitens legt großen Wert auf die Fähigkeiten des Individuums und betont, dass sich das Team der Entwickler in Eigenregie organisieren kann und soll. Agile Planung benötigt zwingend, dass die Teammitglieder zusammenarbeiten. Kooperation herzustellen ist bei agiler Arbeit keine vom Team getrennte Aktivität eines Projektmanagers. Das an der Entwicklung beteiligte Team schätzt den Projektaufwand hierfür in regelmäßigen Abständen immer wieder neu ein.

Dauerhaft anfallende Überstunden vermeiden

Nachhaltige Geschwindigkeit (Sustainable Pace) ist eines der zwölf agilen Prinzipien. Alle Beteiligten eines Projekts für Software-Entwicklung sollten in der Lage sein, ein konstantes Tempo für unbegrenzte Zeit halten zu können. Dauerhaft anfallende Überstunden zeigen nach dieser Philosophie, dass ein Problem besteht. Dieses gelte es zu identifizieren und zu beseitigen. Allerdings zeigen Untersuchungen aus der Praxis, dass es ein Problem ist, dieses hehre Ziel einzuhalten. Gerade im Dienstleistungssektor bei digitalisierter Arbeit habe das Arbeitstempo erhöht, ergibt etwa eine Studie des DGB. Unter dem Strich sei die Arbeitsbelastung durch die Digitalisierung gestiegen.

Allerdings dokumentieren die Erhebungen auch, dass je mehr agile Methoden eingesetzt werden, desto größer die Chancen für selbstbestimmtes Arbeiten und desto niedriger die Belastungen sind. 64 Prozent der Befragten assoziiert mit dem Begriff „Agiles Arbeiten“ die Chance für mehr selbstbestimmte Arbeit. Auch stufen die agil arbeitenden Arbeitnehmer die Kriterien „Gestaltungsmöglichkeiten“, „emotionale Anforderungen“ sowie „Beschäftigungssicherheit“ besser ein als Beschäftigte in einem nicht-agilen Umfeld. Belastungen treten hingegen auf, wenn nur einzelne Teile des agilen Arbeitens umgesetzt werden.

„Nachhaltige Geschwindigkeit“ als Oberziel

Wie kann agiles Arbeiten nun gestaltet sein, um die Beschäftigten dauerhaft gesund zu erhalten? Zunächst sollte die Selbstorganisation der Teams gestärkt werden. Voraussetzung dafür, sich als Team selbst zu organisieren ist, dass die Mitglieder über nötige Ressourcen, Fähigkeiten und Entscheidungskompetenzen verfügen.

Essenziell in diesem Zusammenhang ist der schon erwähnte Begriff der „Nachhaltigen Geschwindigkeit“. Das Projekt muss derart ausgestaltet sein, dass die Beteiligten das Arbeitstempo auf Dauer durchhalten können. Dies muss ohne Überstunden möglich sein. Diese Vorgabe ist maßgebend für die Planung des Projekts durch angrenzende Unternehmensbereiche. Alle Kennziffern, Zielplanungen oder Kalkulationsmodelle müssen auf dieses Ziel hin abgestimmt sein.

Planung als Lernprozess

Die Planung ist in agilen Projekten Aufgabe des gesamten Teams. Einzig auf diese Art und Weise können benötigte Zeit und Kapazität korrekt abgeschätzt werden. Kennziffern, die außerhalb des Projektteams aufgestellt wurden, dürfen keine Rolle spielen. Bei agilen Projekten werden die Anforderungen in stets gleich langen „Sprints“ umgesetzt. Sprints dauern in der Regel zwischen zwei und vier Wochen. Bei der Planung des Sprints wählen die Teammitglieder die Aufgaben aus, die sie während seiner Dauer bearbeiten können.

Die konsequente Taxierung der Arbeitsaufgaben ist das Herzstück einer gelungenen Sprint-Planung. Auch nicht vorhersehbare Ereignisse müssen einkalkuliert werden. Die Arbeitsgeschwindigkeit ist dabei permanent einem sich ändernden Umfeld anzupassen. Hat sich ein Team verschätzt und kann seine Ziele im Sprint nicht erreichen, so gibt es keine Schuldzuweisungen an Einzelne. Das gesamte Team nutzt diese Fehleinschätzung dann für einen Lernprozess.

Keine externe Planungsstörungen

Essenziell ist, dass die Planung für den Sprint nicht durch Interventionen von außen beeinflusst oder geändert werden. Auch Management oder Kunden bleiben hierbei außen vor. Der Sprint muss ein Schutzraum für das Team sein, das ist eine wesentliche Voraussetzung für gesundes agiles Arbeiten. Werden dem Team hingegen zusätzliche Aufgaben von extern gestellt oder Teammitglieder abgezogen, so wirkt dies negativ auf das agile Arbeiten. Jegliche Änderung der Aufgaben und der Terminierung während eines Sprints muss hingegen zwingend mit dem Team abgestimmt oder auf den nächsten Sprint verschoben werden.

Stabile Teams als Muss

Agile Teams benötigen bestimmte Voraussetzungen, um dauerhaft funktions- und leistungsfähig zu sein. Sie müssen Zugriff auf Ressourcen haben, über Erfahrung und Wissen verfügen. Außerdem müssen die Teammitglieder in die Lage versetzt werden, untereinander vertrauensvolle Beziehungen auf bauen zu können. Beschäftigte in agilen Projekten nennen Vertrauen, Kollegialität und belastbare Beziehungen zu den Kollegen als eminent wichtig für Zufriedenheit und Produktivität. Teileinsätze in unterschiedlichen Teams sollten vermieden werden. Als goldene Regel des agilen Arbeitens in dieser Beziehung gilt „Team hat Vorrang vor Projekt.“

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